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Wann handelt es sich um missbräuchliche Probearbeit?

Die Probearbeit ist die letzte Prüfung. Besteht man sie mit Bravour, hat man den Job in der Tasche. Oder auch nicht. Es soll Arbeitgeber geben, die regelmäßig Kandidaten zum Probearbeiten bitten, aber niemanden einstellen. Nach menschlichem Ermessen ist es legitim, in diesem Fall von Missbrauch zu sprechen. Aber wo fängt die missbräuchliche Probearbeit an, wenn man das Arbeitsrecht zugrunde legt, und wo hört sie auf? Allzu leicht machen sollten es sich die Unternehmen mit der Probearbeit nicht. Dies könnte ihnen noch bitterböse auf die Füße fallen…


Wann handelt es sich um missbräuchliche Probearbeit?

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Was ist missbräuchliche Probearbeit?

Vorweg: Probearbeit und Probezeit meinen NICHT das Gleiche. In der Probezeit hat der Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag beim Arbeitgeber schon unterschrieben und befindet sich in einem laufenden Arbeitsverhältnis – beim Probearbeiten (noch) nicht.

Bei einer Probearbeit handelt es sich vielmehr um ein sogenanntes Einfühlungsverhältnis. Es dient dem gegenseitigen Kennenlernen und „Beschnuppern“ und besteht immer dann, wenn keine gegenseitigen Rechte und Pflichten vereinbart werden.

Konkret läuft das so ab: Der Arbeitgeber lädt den Kandidaten in die Firma ein. Der bleibt eine Weile und schaut sich Räumlichkeiten, Kollegen und Aufgaben an. Er kann auch kleinere Aufgaben übernehmen. Ein Weisungsrecht hat der Arbeitgeber am Probearbeitstag allerdings nicht. Der Bewerber ist in keinster Weise verpflichtet, Aufgaben zu übernehmen.

Aber Achtung: Übernimmt der Bewerber vollwertige Aufgaben im Betrieb oder führt er Anweisungen des Chefs durch, kann man unter Umständen nicht mehr von einem Einfühlungsverhältnis sprechen. In diesem Fall könnte ein Gericht zu dem Schluss kommen, dass aus dem Einfühlungs- stillschweigend ein reguläres Arbeitsverhältnis geworden ist – und es sich um missbräuchliche Probearbeit handelt.

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Probearbeit: Was habe ich davon?

Der Arbeitgeber kannte den Bewerber bislang nur von seinem Foto in der Bewerbungsmappe und aus dem Bewerbungsgespräch. Jetzt kann er ihn „live in Action“ erleben. Das hilft ihm bei der Einschätzung. Wie verträglich ist er oder sie so? Welche Mentalität legt er an den Tag? Passt er ins Unternehmen?

Viele Unternehmen lassen mehrere Kandidaten gegeneinander antreten – und laden zwei oder drei von ihnen zur Probearbeit ein. Wer am überzeugendsten auftritt, bekommt den Job. Das ist deutlich günstiger und auch fairer, als allen einen Arbeitsvertrag zu geben und nur einen über die Probezeit hinaus zu behalten.

Der Bewerber wiederum gewinnt durch die Probearbeit direkte Einblicke ins Unternehmen, kann sich mit zukünftigen Kollegen austauschen. Das kann auch ihm helfen, eine Entscheidung zu treffen. Gefällt ihm nicht, was er sieht, sagt er einfach höflich ab.

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Wie lange darf die Probearbeit dauern?

Das Arbeitsrecht gibt prinzipiell kein Limit vor. Länger als wenige Tage, maximal eine Woche, sollte die Probearbeit allerdings nicht dauern.

Experten empfehlen, dass die Probearbeit nur wenige Stunden lang sein möge, einen Vormittag etwa oder einen Nachmittag. Andernfalls könnten sich Arbeitgeber in die Bredouille bringen und riskieren, dass aus der Probearbeit automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht.

Eine Alternative ist es, nach dem ersten Kennenlernen noch einen zweiten Probearbeits-Termin zu vereinbaren.

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Wird man für Probearbeit bezahlt?

Nein. Ein Einfühlungsverhältnis sieht keine Bezahlung vor. Auch Anspruch auf Mindestlohn besteht demzufolge nicht.

Manche Unternehmen erstatten allerdings Fahrtkosten oder zahlen eine Aufwandsentschädigung. Dies sollten sie aber schriftlich festlegen und ausdrücklich darauf hinweisen, dass damit nicht die geleistete Arbeit vergütet wird.

Wann handelt es sich um missbräuchliche Probearbeit?

Es kommt stets auf den Einzelfall an. Diese Merkmale könnten für den Arbeitgeber riskant werden – und dafür sprechen, dass kein Einfühlungsverhältnis mehr besteht:

  • Der Kandidat muss bestimmte Pausen und Arbeitszeiten einhalten.
  • Der Chef übt sein Weisungsrecht aus und überträgt dem Bewerber konkrete Aufgaben und Tätigkeiten.
  • Der Bewerber erwirtschaftet durch seine Tätigkeiten einen Gewinn für das Unternehmen.
  • Er muss bestimmte Arbeitsorte aufsuchen.
  • Eine Vergütung wird vereinbart.
  • Er muss während der Probearbeit Arbeitskleidung tragen.

Beispiel: Der Kandidat wird während der Probearbeit durch das Call-Center geführt und darf mehrere Kundengespräche mithören. Sollte er dazu aufgefordert werden, selbst eines zu führen, wäre die Grenze – vermutlich – schon überschritten. Das müsste im Zweifel ein Gericht klären.

Klare Grenzlinien lassen sich daher nur schwer ziehen. Generell kann der Bewerber nach eigenem Ermessen Aufgaben annehmen.

Entscheidend ist: Überteigen die Tätigkeiten, die der Bewerber übernimmt, die Kriterien eines Einfühlungsverhältnisses, dann kann dies vor Gericht als stillschweigender Abschluss eines Arbeitsvertrags gewertet werden – mit den entsprechenden Konsequenzen für den Arbeitgeber.

Sollte ein Arbeitsverhältnis auf diese Weise unbeabsichtigt zustande gekommen sein, muss der Arbeitgeber zunächst die geleistete Arbeit nachzahlen. Außerdem muss er nun die gesetzlichen Kündigungsfristen beachten. Mindestens ein zusätzlicher Monatslohn kommt sogar dann auf ihn zu, wenn er die sofortige Kündigung ausspricht.

Das Risiko ist für Arbeitgeber daher nicht zu unterschätzen. Anwälte raten zu großer Vorsicht. Immerhin fallen bei einer Probearbeit regelmäßig Kandidaten durchs Raster. Die sind manchmal not amused – und sinnen auf Rache.

Muss man die Probearbeit anmelden?

Der Arbeitgeber muss den Probearbeiter nicht anmelden, weder beim Finanzamt noch bei den Sozialversicherungsträgern.

Sollte er aber arbeitslos gemeldet sein, benötigen Arbeitgeber für das Einfühlungsverhältnis eine Genehmigung der Arbeitsagentur.

Ist man während der Probearbeit unfallversichert?

Ja. Die gesetzliche Unfallversicherung springt (unter Umständen) auch dann ein, wenn es während der Probearbeit zu einem Unfall kommt. Das hatte das Bundessozialgericht in Kassel im August 2019 entscheiden.

Im konkreten Fall hatte ein Mann aus Halle (Saale) einen Tag zur Probe bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen gearbeitet. Dabei war er von einem Lastwagen gestürzt und hatte sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen.

Der Mann war zwar kein Beschäftigter, aber ein sogenannter Wie-Beschäftigter, werteten die Richter. Darum stünde auch er unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

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[Bildnachweis: Stokkete by Shutterstock.com]

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