Darf der Arbeitgeber meine psychische Erkrankungen kennen?
Ganz klar: nein. Besteht beispielsweise ein Arbeitsverhältnis und der Mitarbeiter erkrankt, dann steht die Diagnose beziehungsweise der Diagnoseschlüssel bei der Krankschreibung nur auf der Ausfertigung für den Versicherten und der für die Krankenkasse – die Ausfertigung für den Arbeitgeber enthält keinerlei Informationen zu Krankheit oder Krankheitsverlauf.
Auch im Bewerbungsprozess, beispielsweise im Vorstellungsgespräch, sind dem Arbeitgeber vom Gesetzesseite klare Grenzen gesetzt: Fragen zur gesundheitlichen Situation, also…
- zum derzeitigen Gesundheitszustand,
- zu einer vorhandenen Behinderung,
- zur vergangenen Erkrankungen (inklusive Dauer) oder
- zu schweren Krankheiten in der Familie
sind nicht zulässig. Hintergrund des Verbots ist die Befürchtung, dass Bewerber mit gesundheitlichen Problemen benachteiligt werden könnten, weshalb Regelungen wie im Antidiskriminierungsgesetz als Arbeitnehmerschutz gedacht sind.
Die einzigen Ausnahmen sind, wenn Sie entweder an einer hoch infektiösen, also ansteckenden Krankheit leiden, weil Sie dann eine Gefährdung für andere Menschen darstellen würden, oder aber wenn beispielsweise Ihre Behinderung Sie von vornherein an der Ausübung der Arbeit hindern würde.
Beides ist allerdings bei psychischen Krankheiten nicht der Fall, somit sind Sie weder verpflichtet, Ihren Arbeitgeber darauf hinzuweisen, noch darf er ganz allgemein nach Krankheiten fragen. Allerdings hindert das natürlich den einen oder anderen Arbeitgeber nicht daran, dennoch zu fragen.
Grund dafür muss noch nicht einmal unzulässige Neugier sein. Fragen wie diese können auch als Stressfragen im Bewerbungsgespräch gedacht sein, um die Reaktion des Bewerbers zu testen: Wie verhält er oder sie sich in nicht vorhersehbaren Situationen?
Ist Krankheit gleich Krankheit?
Leider nein. Das ist sehr ungerecht, aber häufig werden organische Krankheiten und physische Beschwerden anders, ja fast schon positiv, bewertet im Vergleich zu psychischen Erkrankungen. Vor dem Hintergrund, dass nur hoch infektiöse Krankheiten meldepflichtig sind, stellt sich ohnehin die Frage, was Sie beispielsweise bezwecken, indem Sie eine psychische Erkrankung angeben.
Geht es um Verständnis, beispielsweise für zukünftige Situationen mit anderen Kollegen, die potenziell stressig sein könnten? Oder wollen Sie lediglich die Lücke im Lebenslauf erklären? Dazu ist zu sagen, dass Sie wildfremden Menschen grundsätzlich nicht sämtliche Details Ihrer Lebensgeschichte oder Ihrer Gesundheit erzählen sollten.
Es handelt sich dabei um persönliche Daten, die vertrauenswürdig behandelt werden müssen – Vertrauen kann aber erst mit der Zeit und dem Kennenlernen entstehen. Wenn Sie eine neue Arbeitsstelle antreten, sich mit Kollegen anfreunden und dann kommt die Sprache auf Erkrankungen oder psychische Probleme, stellt sich die Situation ganz anders dar.
Im Arbeitsprozess kann es gegenüber Kollegen hilfreich sein, mit offenen Karten zu spielen, um keine unnötigen Konflikte heraufzubeschwören. Sie könnten somit beispielsweise Klarheit schaffen, wenn Sie in bestimmten Situationen auffallen, nicht verstanden werden oder sogar anecken wegen der Krankheit, weil andere Ihr Verhalten nicht verstehen.
Das Wissen um die Krankheit und Ihr Verhalten in bestimmten Situationen (sofern es von anderen Kollegen abweicht) könnte dazu beitragen, dass sie es verstehen und einordnen können. Abhängig machen sollten Sie das allerdings von Ihrem Bauchgefühl: Handelt es sich bei der Person, der Sie dies anvertrauen wollen, um jemanden mit Lebenserfahrung und Verständnis?
Denn nicht jeder kann mit solchen Informationen umgehen. Das gilt vor allem für schwere psychische Erkrankungen, die nicht in allen Details geschildert werden sollten. Die Vorbehalte sind immer noch groß.
Wie können Sie die Lücke erklären?
Zwei Monate Leerlauf kann eigentlich jeder Lebenslauf verkraften. Wenn allerdings längere und mehrere Lücken im Lebenslauf auftauchen und kaum noch ein roter Faden erkennbar ist, wird es schwierig. Wer infolge einer psychischen Erkrankung längere Zeit dem Arbeitsmarkt ferngeblieben ist, sucht nach Wegen, die Lücke zu erklären.
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Möglichkeit 1: Sie sagen die Wahrheit.
Davon ist im Bewerbungsprozess abzuraten. Vor allem im Lebenslauf hat die Angabe psychischer Erkrankungen, sowie möglicher Klinikaufenthalte oder Therapien nichts zu suchen. Allerdings kann es natürlich passieren, dass Sie im Vorstellungsgespräch auf Lücken im Lebenslauf angesprochen werden. Hier gilt: Lügen im Vorstellungsgespräch sind erlaubt, wenn der Arbeitgeber Dinge fragt, die ihn nachweislich nichts anzugehen haben. Dazu gehören neben Fragen zur Schwangerschaft wie oben erwähnt auch Fragen zur gesundheitlichen Verfassung.
Der Grund ist ganz einfach: Ein Personaler hat die Aufgabe, eine leere Stelle zu besetzen. Bei psychischen Erkrankungen ist allerdings nicht unbedingt klar, ob sie womöglich erneut auftauchen, in irgendeiner Form geheilt sind und wie belastbar die Person nun ist. Aus Unternehmenssicht stellt so ein Bewerber ein wirtschaftliches Risiko dar, das er natürlich so gering wie möglich halten will. Die Chancen stehen sehr hoch, dass Sie im Falle der vollen Wahrheit sich selbst ins Aus katapultieren – vor allem, wenn Sie nicht gefragt werden also ein unnötiges Risiko.
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Möglichkeit 2: Sie sprechen von einer Orientierungsphase.
Eine andere Möglichkeit wäre, die Lücke als eine Phase der Orientierung oder Selbstfindung zu bezeichnen. Das funktioniert allerdings nicht bei mehreren Lücken. Auch wird es je nach Lebensalter und Dauer der Auszeit schwierig. Der Personaler könnte die Lücke möglicherweise als Zeichen von Wankelmut und mangelndes Durchhaltevermögen interpretieren.
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Möglichkeit 3: Sie drücken sich vage aus.
Diese Variante stellt einen Kompromiss zwischen der ersten und zweiten Möglichkeit dar und ist vor allem geeignet, wenn Sie direkt auf die Lücke im Lebenslauf angesprochen werden. Sie können gesundheitliche Probleme angeben, allerdings ohne dabei ins Detail zu gehen. Im Zweifelsfalle kann ein Personaler ohnehin nichts mit einer bipolaren Störung oder einer Borderline-Störung anfangen und hat höchstens Vorbehalte bezüglich der Leistungsfähigkeit des Bewerbers. Wichtiger ist vielmehr der Hinweis, dass Sie zwar im fraglichen Zeitraum gesundheitliche Probleme hatten, sich aber die Zeit zur Gesundung genommen hätten und nun wieder zu alter Form gelangt seien.
Stellen die psychische Erkrankungen eine Belastung im Joballtag dar?
Am allerwichtigsten für den ganzen Bewerbungsprozess ist vielmehr die Frage: Inwieweit beeinträchtigt Sie die Erkrankung im Joballtag? Um mal ein Horrorszenario zu bemühen: Wenn Sie deshalb regelmäßig krankgeschrieben werden, kann das schon in der Probezeit zur Kündigung führen. In dieser Zeit lässt sich der Arbeitsvertrag von beiden Parteien ohne Angabe von Gründen binnen zwei Wochen kündigen.
Derartige Frustrationserlebnisse will sich vermutlich jeder Bewerber ersparen. Wichtig ist daher, wie bei jeder anderen Krankheit auch, sich ausreichend Zeit zur völligen Genesung zu gewähren. Wer wegen schwerer psychischer Erkrankungen fünf Monate aus dem Beruf raus war, wird nicht über Nacht wieder zu hundert Prozent einsatzfähig sein.
Setzen Sie zu früh mit einem neuen Job ein, der ohnehin in der Einarbeitungsphase Stress und Aufregung bedeutet, wächst das Risiko, dass Sie sich überlasten und damit scheitern. Andersherum steigen Motivation und Selbstvertrauen, wenn Sie alte Probleme aufgearbeitet haben und sich bereits wieder fit fühlen.