Warum leiden Büromenschen häufig unter Nackenverspannungen und Schmerzen im unteren Rücken?
Nackenverspannungen
Häufiges Sitzen mit Anlehnen führt dazu, dass die Rückenmuskulatur abnimmt. Wenn die Muskulatur im oberen Rücken schwach ist, kann sich die Brustwirbelsäule nicht mehr vollständig aufrichten: Der obere Rücken wird rund und die Schultern ziehen nach vorn. Durch den entstandenen Rundrücken (Hyperkyphose) geht der Blick automatisch nicht mehr – wie bei einer aufrechten Haltung – geradeaus, sondern eher nach unten. Um das auszugleichen, muss man nun den Kopf anheben, um wieder nach vorn (auf den Bildschirm) schauen zu können. Die Halswirbelsäule wird dadurch überstreckt.
Grundsätzlich ist es kein Problem, die Halswirbelsäule einmal zu überstrecken, zum Beispiel wenn man in den Himmel schaut. Wenn die Halswirbelsäule jedoch dauerhaft überstreckt ist, um einen Rundrücken zu kompensieren, passiert Folgendes:
- Die Muskulatur im Nacken verkürzt.
- Die Muskulatur vorn am Hals wird überdehnt.
Was sind die häufigsten Folgen?
- Die Nackenmuskulatur verhärtet und verspannt, so dass es zu Schmerzen in diesem Bereich kommt.
- Die verhärtete Nackenmuskulatur kann auf Nerven drücken. Wenn das passiert, können Schmerzen, Taubheitsgefühle oder Kribbeln in den Armen oder Händen entstehen.
Es kommt zu einem muskulären Ungleichgewicht: Die Muskulatur im Nacken ist verspannt, während die überdehnte Muskulatur vorn am Hals extrem schwach ist. Den Muskeln fällt es nun zunehmend schwerer, das Gewicht des Kopfes zu tragen und auszubalancieren. Dies wiederum kann zu Spannungskopfschmerzen und auch zu Schmerzen in den Kiefergelenken führen. Die Muskeln im Kieferbereich stehen mit der Nacken- und Rückenmuskulatur in einem funktionellen Zusammenhang. Wenn der Kopf aufgrund eines Rundrückens zu weit nach vorne geschoben ist, wird der Unterkiefer automatisch durch die Halsmuskulatur zurückgezogen. Er steht dadurch im permanenten Spannungsverhältnis mit den darüberliegenden Mundstrukturen.
Schmerzen im unteren Rücken
Viel Sitzen kann zu zwei unterschiedlichen Veränderungen der Lendenwirbelsäule führen:
1. Die verstärkte Wölbung des oberen Rückens setzt sich nach unten fort. Dann wölbt sich die Lendenwirbelsäule nicht mehr leicht nach innen, sondern mehr oder weniger nach außen. Außerdem verändert sich die Stellung des Beckens. Zusätzlich verstärkt wird diese Haltung durch Schlafen auf der Seite in der sogenannten Embryonalstellung, in der die Knie zum Körper gezogen werden und sich der gesamte Rücken rundet.
Was sind die häufigsten Folgen?
- Das Becken ist in dieser Haltung nach hinten gekippt. Dadurch können Schmerzen im Bereich der Iliosakralgelenke entstehen.
- Die leichte Wölbung der Lendenwirbelsäule nach außen führt zu einseitigem Druck auf die Bandscheiben in diesem Bereich. Durch langes Sitzen wird der Stoffwechsel in den Bandscheiben nicht ausreichend angeregt. Darüber hinaus verringert sich mit zunehmendem Alter der Wassergehalt in den Bandscheiben und sie werden porös. Diese drei Faktoren zusammen haben großes Potential, einen schmerzhaften Bandscheibenvorfall auszulösen.
2. Durch vieles Sitzen verkümmert die Rücken- und Bauchmuskulatur und die Hüftbeuger verkürzen. Auch hier ist es die Kombination aus verschiedenen Faktoren, die schließlich zu einer weiteren Fehlhaltung führt: dem Hohlkreuz.
Was sind die häufigsten Folgen?
- Facettengelenksarthrose. Facettengelenke (auch Wirbelgelenke genannt) sind die kleinen, paarigen Gelenke, die zwei Wirbel miteinander verbinden und die Beweglichkeit der Wirbelsäule ermöglichen.
- Auch hier entsteht dauerhaft einseitiger Druck auf die Bandscheiben, was in Verbindung mit anderen Faktoren (siehe Punkt 1. Schmerzen im unteren Rücken; Was sind die häufigsten Folgen) zu einem Bandscheibenvorfall führen kann.
- Beim Hohlkreuz ist das Becken nach vorn gekippt, wodurch ein Iliosakralgelenks-Syndrom begünstigt wird.
Was kann ich dagegen tun?
Vermeiden Sie Dauersitzen
Alle 30 Minuten sollten Sie für mindestens 2 Minuten von Ihrem Stuhl aufstehen. Brauchen Sie dafür einen Grund?
- Stellen Sie den Papierkorb ans andere Ende des Büros.
- Ersetzen Sie ein internes Telefonat durch ein persönliches Gespräch und machen Sie sich auf den Weg dorthin.
- Sitzen Sie in der (Mittags-)Pause so wenig wie möglich.
- Telefonieren Sie im Stehen.
- Stellen Sie den Drucker an einen entfernteren Ort, so dass Sie aufstehen müssen, wenn Sie ihn benutzen.
Stellen Sie sich gegebenenfalls einen Timer, der Sie daran erinnert, mal wieder aufzustehen
1. Passen Sie Ihr Arbeitsumfeld an
Dazu gehören viele Faktoren. Die wichtigsten sind:
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Die optimale Einstellung des Bürostuhls
Sitzhöhe:
Der Oberschenkel sollte beim Sitzen eine zum Knie hin abfallende Linie bilden während die Füße kompletten Bodenkontakt haben. Dadurch ist der Hüftwinkel größer als neunzig Grad. Das Becken hat die Möglichkeit, sich in der Neutralstellung auszurichten und die Aufrichtung der Wirbelsäule wird unterstützt.
Armlehnen:
Die Höhe sollte so eingestellt sein, dass die Unterarme aufliegen und gleichzeitig ein Neunzig-Grad-Winkel zwischen Ober- und Unterarm besteht. Die Breite der Armlehnen entspricht der Breite der Schultern. -
Die passende Höhe des Schreibtischs
Die meisten Schreibtische sind verstellbar in einem Bereich zwischen sechsundsechzig und fünfundsiebzig Zentimetern. Die Höhe des Schreibtischs richtet sich nach den Armlehnen des Stuhls. Das bedeutet, dass der Stuhl nicht unter den Tisch geschoben werden kann, sondern Schreibtisch und Armlehnen die gleiche Höhe haben.
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Die ideale Ausrichtung des Bildschirms
Der Sitzabstand zum Bildschirm sollte etwa fünfzig bis sechzig Zentimeter betragen, bei sehr großen Monitoren auch mehr. Das schont die Augen. Die Oberkante des Bildschirms sollte sich auf Augenhöhe befinden, damit der Nacken nicht überstreckt wird. Der Bildschirm sollte so aufgestellt sein, so dass man geradeaus auf den Monitor schaut. Wenn mehrere Bildschirme benötigt werden, sollte der am meisten genutzte Bildschirm mittig ausgerichtet sein und weitere Bildschirme – mit entsprechender seitlicher Neigung – daneben.
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Ein gesundes Raumklima
Dazu zählen die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Luftqualität und die Luftbewegung. Eine zu niedrige Lufttemperatur und Luftbewegungen, zum Beispiel durch Ventilatoren, Klimaanlagen und geöffnete Fenster können Nackenverspannungen begünstigen.
2. Lassen Sie sich beraten
Arbeitgeber sind im Rahmen der Arbeitsschutzvorschriften verpflichtet, für eine „ergonomisch zeitgemäße Arbeitsplatzausstattung“ zu sorgen. Jedes Unternehmen hat eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, die sich auch um die Ergonomie am Arbeitsplatz kümmert. Setzen Sie sich mit ihr in Verbindung – oder lassen Sie sich vom Betriebsarzt beraten.
3. Machen Sie aktive Pausen
Nutzen Sie Ihre (Mittags-)Pause sinnvoll: Mit effektiven Übungen können Sie direkt am Arbeitsplatz gezielt etwas für einen gesunden Rücken tun. In diesem Übungsvideo erfahren Sie, was Sie in sieben Minuten effektiv gegen Rücken- und Nackenschmerzen tun können. Sie werden sich angenehm bewegt fühlen – ohne zu Schwitzen! Dazu brauchen Sie keine Sportbekleidung und auch keine Gymnastikmatte. Einfach Schuhe ausziehen und mitmachen. Machen Sie die Übungen regelmäßig – denn einmal ist keinmal. Und auch gelegentlich ist nicht genug, wenn Sie Ihre Rückenprobleme dauerhaft lösen wollen!
4. Arbeiten Sie an einem höhenverstellbaren Schreibtisch, so dass Sie auch stehen können
So können Sie Sitzen maßgeblich reduzieren. Achten Sie darauf, dass die Höhe elektrisch verstellbar ist. Wenn Sie nämlich erst eine Viertelstunde an einer kleinen Kurbel drehen müssen, werden Sie bald wieder in Ihre alte Sitzgewohnheit zurückfallen.
Fragen Sie Ihren Arbeitgeber, ob er bereit ist, mit einem solchen Schreibtisch in Ihre Gesundheit zu investieren. Jeder vorausschauende Arbeitgeber hat ein Interesse daran, Arbeitsplätze so auszustatten, dass man schmerzfrei arbeiten kann. Das reduziert den Krankenstand und erhöht die Produktivität.
5. Sitzen Sie nicht perfekt
In vielen Ratgebern wird der „perfekte“ Sitz auf einem Bürostuhl etwa wie folgt beschrieben: „Nutzen Sie die gesamte Sitzfläche des Stuhls und lehnen Sie sich an.“
Sitzen ist eine einseitige Belastung des Bewegungsapparats, und ein immer perfektes Sitzen verstärkt diese Tatsache. Wenn Sie zum Beispiel auf der Sitzfläche etwas weiter nach vorn rutschen, sitzen Sie weniger auf den Muskeln der Oberschenkelrückseiten (Muskeln haben die Aufgabe, unsere Gelenke zu bewegen. Sie sind nicht dafür geeignet, Dauerbelastung durch Körpergewicht auszuhalten.). Oder Sie verändern die Beinposition – legen Sie z.B. mal einen Fuß über das andere Knie. Wenn Sie sich nicht anlehnen und die Wirbelsäule dabei gestreckt halten, trainieren Sie Ihre Rückenmuskulatur – und das wiederum kann Ihre Rückenschmerzen verringern.
6. Machen Sie rückenfreundlichen Sport
Neuere wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass die Folgen von Vielsitzen durch Bewegung nicht wirklich ausgeglichen werden können. Ab wann spricht man überhaupt von Vielsitzen – was glauben Sie? Vielsitzen heißt, dass man mehr als vier bis sechs Stunden täglich sitzt. Und zwar nicht zusammenhängend, sondern insgesamt. Neben dem Sitzen im Büro kommen also noch Autofahren, Fernsehschauen, Mahlzeiten einnehmen, Lesen und vieles mehr dazu.
Auch wenn man die Folgen von vielem Sitzen nicht wirklich ausgleichen kann: Bewegung ist der wichtigste Faktor, um den Körper gesund zu erhalten. Der menschliche Organismus ist seit circa 2 Millionen Jahren auf Bewegung ausgerichtet – das hat ihm das Überleben gesichert. Erst im 21. Jahrhundert begann die Industrialisierung und das Leben wurde in der westlichen Welt sehr viel bequemer. Mit negativen Folgen für die Gesundheit: Durch den Bewegungsmangel entstanden unsere sogenannten Zivilisationskrankheiten, wie Herzkreislauferkrankungen und Rückenschmerzen.
Leider sind bei Rückenschmerzen viele Sportarten kontraproduktiv – zumindest in der Akutphase. Mit diesen Bewegungsformen machen Sie alles richtig:
- (Nordic-) Walking, flottes Spazierengehen
- Rückenkurse (zum Beispiel Rückenyoga, Wirbelsäulengymnastik, Rückenschule)
- Tanzen
- Schwimmen: Jedoch nur Kraulen und Rückenschwimmen. Brustschwimmen ist definitiv NICHT geeignet, weil der Kopf über Wasser gehalten wird. Das führt zu weiteren Nackenverspannungen und im unteren Rücken entsteht ein Hohlkreuz.
- Inlineskating
- Qigong/Tai Chi
Suchen Sie sich eine Bewegungsform, die Ihnen Spaß macht, und die Sie regelmäßig betreiben können.
7. Reduzieren Sie freiwilliges Sitzen
In vielen Bereichen des Lebens können Sie das Sitzen reduzieren. Hier einige Vorschläge:
- Telefonieren Sie im Stehen oder Gehen
- Nutzen Sie die Treppe statt den Aufzug>
- Verabreden Sie sich statt zum Kaffeetrinken zu einem Spaziergang
- Lassen Sie für kürzere Strecken das Auto zu Hause
- Sie fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Steigen Sie doch mal eine Station früher aus.
Fazit
Sicherlich haben Sie von einigen Maßnahmen bereits schon öfter gehört. Doch was haben Sie bisher tatsächlich getan, um Ihre Rückenprobleme zu lösen? Starten Sie gegebenenfalls mit zwei bis drei Maßnahmen, die für Sie relativ einfach umzusetzen sind und schauen Sie, was passiert. Nicht jede Maßnahme bewirkt sofort Wunder – oft ist es die Kombination aus verschiedenen Maßnahmen, die Sie nach einigen Wochen eine angenehme Verbesserung Ihrer Beschwerden spüren lässt. Es lohnt sich also, am Ball zu bleiben!
Welche Hilfsmittel können am Arbeitsplatz sinnvoll sein?
Der höhenverstellbare Schreibtisch wurde bereits angesprochen. Doch auch weitere Hilfsmittel am Arbeitsplatz sind sinnvoll:
- Keilkissen
Ein Keilkissen kann hilfreich sein, wenn Sie dazu neigen, im unteren Rücken rund zu werden. Es unterstützt die Neutralstellung des Beckens, so dass sich der untere Rücken strecken kann. Das kann sich anfangs durchaus ungewohnt anfühlen. Bitte in diesem Fall das Kissen nicht gleich als untauglich abstempeln, sondern erst mal ein bis zwei Wochen testen. - Balancekissen
Mit einem Balancekissen sind Sie auch im Sitzen immer leicht in Bewegung. Das Kissen reagiert auf jede Veränderung der Körperposition, und die Muskeln werden dadurch aktiviert. Es beugt Fehlhaltungen vor und vermindert den Abbau der Rückenmuskulatur. Auch ein Balancekissen ist gewöhnungsbedürftig und sollte ein bis zwei Wochen getestet werden. Bei den meisten Balancekissen kann man die Härte mittels einer (mitgelieferten) Luftpumpe entsprechend regeln. Weniger Luft ist meistens effektiver als ein prallgefülltes Kissen. - Lordosenstütze/Lendenkissen
Die natürliche Schwingung der Lendenwirbelsäule geht leicht nach innen. Wer zu einem Komplett-Rundrücken neigt (auch die Lendenwirbelsäule wölbt sich leicht nach außen) kann mit einer Lordosenstütze/Lendenkissen dieser Fehlhaltung (passiv) entgegenwirken. - Bildschirmarbeitsplatzbrille (Computerbrille)
Diese spezielle Brille kann die Augen entlasten und damit Kopfschmerzen vermeiden. Das ist insbesondere für Menschen mit Augenproblemen (und dadurch verursachten Kopfschmerzen) oder einer Altersweitsichtigkeit relevant. Die Computerbrille ist für kurze und mittlere Distanzen geschliffen. Dies ermöglicht eine optimale Sicht auf eine Entfernung von vierzig bis siebzig Zentimeter. Es gibt sogar eine finanzielle Unterstützung, denn diese Brille gilt als persönliche Schutzausrüstung bei der Arbeit. Sofern ein Attest vom Augenoptiker oder Augenarzt vorliegt, müssen Arbeitgeber die Kosten zumindest teilweise tragen.
Welche Fehler sollten Sie vermeiden?
Sie können vieles richtig, aber auch manches falsch machen. Diese Fehler sollten Sie vermeiden:
- Nichtstun
Wenn Sie Ihre bisherigen Bewegungsgewohnheiten beibehalten, werden sich auch Ihre Rückenprobleme nicht verändern. - Ungeduld
Veränderungen sind oft mit einer gewissen Anfangseuphorie verbunden und manchmal auch mit der Erwartung, dass sich das gewünschte Ergebnis über Nacht einstellt. Rückenprobleme, die sich über Jahre entwickelt haben, kann man nicht von heute auf morgen lösen. Um wieder mehr Lebensqualität zu bekommen, braucht es Motivation, Disziplin und ein wenig Geduld, bis erste Verbesserungen spürbar sind. Die Flinte ins Korn werfen oder dranbleiben? Wir haben immer die Wahl!
Über die Autorin
Dagmar Jung ist Yoga- und Rückenschullehrerin sowie Expertin für Yogatherapie und Ergonomie am Arbeitsplatz. Sie hilft Menschen, Rückenprobleme dauerhaft zu lösen und gelassener mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen.